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Ordensburg Oberpahlen (Põltsamaa ordulinnus)


Põltsamaa

 

Jõgeva maakond

 

Estland


GPS: +58° 39' 16.90", +25° 58' 2.82"

Beschreibung:

Ordensburg:

Oberpahlen im Fellinschen Kreise, am rechten Ufer der Pala, jetzt Oberpahlscher Bach, der mit der Poedja vereint sich in den Embach, nahe von deren Ausfluss aus dem Wirzjaerw, ergiesst, war eine Ordensburg, im 13. Jahrhundert als Beischloss von Fellin erbaut. Die grosse Schlacht v. 1217 fand an der Pala, unweit von Lembits Dorf statt; ein Castrum ad Palam wird bereits 1223 genannt, das wohl nur eine Wallburg war. Vielfach ist Oberpahlen in der Kriegsgeschichte genannt und wurde 1570 Koenigsresidenz des Herzogs Magnus, jedoch im Februar 1578 von den Schweden und am 25. Juni von den Moskowitern erobert. Sie wurde 1600 von den Schweden besetzt und galt noch 1633 als verteidigungsfaehig.

Die noch bewohnte Burg ist um einen Hof als ein Quadrat (18 Faden Seite) erbaut und zwar in der Ostecke einer gleichfalls quadratischen Vorburg, deren Feldsteinmauern hoch erhalten sind. Der heutige runde Kirchenchor war ein erst mit der nach S.-O. vorgelagerten spitzen Bastion errichteter Turm mit starken Mauern, an den das Schiff der Kirche bis zur alten Burgmauer angebaut worden ist.

 

Karl von Loewis of Menar: Burgenlexikon fuer Alt-Livland, Riga 1922



Die Burg Oberpahlen wurde 1272 durch den Livlaendischen Orden unter Otto von Rodenstein errichtet. Zuerst war es ein kastellartiger Bau auf quadratischem Grundriss, geschuetzt durch Wehrmauer und umlaufenden Wassergraben. Auf der Innenseite der urspruenglich drei Meter hohen, aus Kalkstein und Ziegeln erbauten Ringmauer befand sich ein hoelzerner Wehrgang. Tore gab es im Sueden, Norden und Osten. Das noerdliche Haupttor war ausserdem durch einen Torbau verstaerkt.

 

Bereits Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Mauer erhoeht und der Wehrgang auf eine Saeulenkonstruktion gesetzt, statt wie bisher auf freitragende Balken im Mauerwerk. Diese erste Mauererhoehung ist noch heute durch die unterschiedlichen Steinlagen gut erkennbar. Im 14. Jahrhundert erhielt die Mauer zusaetzlich einen mit Schiesscharten versehenen Aufsatz und im 15. Jahrhundert gab es nochmals eine Verstaerkung bis zur heutigen Hoehe von 11 Metern. In der Suedostecke des Kastells wurde das Konventshaus erbaut, an den anderen drei Ecken befanden sich kleine rechteckige Tuerme, deren Aussenseiten durch die Ringmauer gebildet wurden, waehrend der Hofbereich aus Holz bestand.

 

Das Konventshaus, das in etwas ein Drittel der Mauerlaenge des Kastells platzmaessig in Anspruch nahm, hatte einen Innenhof und einen Turm in der suedwestlichen Ecke. Die einzelnen Fluegel des Bauwerks waren mit einer innenliegenden Galerie verbunden. Im zweiten Stock des Turm waren die Raeume der Wache eingerichtet. Das Tor befand sich im westlichen Fluegel und im zweiten Stock lagen die Unterkuenfte der Besatzung.

 

Im fruehen 16. Jahrhundert wurde die Verteidigungsfaehigkeit der Wehranlage durch Bau einer Bastion und eines Kanonenturms vor dem Suedtor erhoeht. Die Bastion erstreckte sich ueber den Wassergraben hinaus und die Verbindung des Turms mit dem Tor wurde durch Errichtung von zusaetzlichen Verbindungsmauern erreicht. Auch auf der Nordseite wurde zum Schutz des dortigen Tores ein heute nicht mehr vorhandener Turm errichtet, der im obersten Stock eine Kanonenplattform erhielt.

 

Waehrend des Livlaendischen oder 1. Nordischen Krieges (1558-1583) wurde Oberpahlen die Residenz des Herzogs Magnus, der vom russischen Zaren Ivan IV. zum Koenig von Livland ernannt worden war. Das alte Konventsgebaeude wurde umgebaut, um standesgemaesse Wohnraeume und Raeumlichkeiten fuer offizielle Empfaenge zu erhalten. Im Verlauf des Krieges wechselte die Burg dann allerdings mehrfach ihre Besitzer und erst Anfang des 17. Jahrhunderts begann unter dem neuen Eigentuemer Feldmarschall von Wrangel ein Umbau zum repraesentativen Schloss. Das dritte Stockwerk wurde fertiggestellt und ein viertes aufgesetzt. Fenster- und Tueroeffnungen wurden vergrossert und die Raeume, in denen neben den Kaminen nun auch Kacheloefen Verwendung fanden, bekamen neue Funktionen. Die ehemalige Vorburg wurde als Wirtschaftshof genutzt, der suedliche Kanonenturm und die Bastion (jetziger Chor) wurden in den Neubau einer Kirche einbezogen.

 

Vieles davon wurde waehrend des Grossen Nordischen Krieges zerstoert oder beschaedigt, als das Schloss 1703 und 1707 gepluendert wurde. 1750 ging das Schloss in den Besitz von Woldemar Johann von Lauw ueber, der alles wieder herrichtete, im Rokoko-Stil umbaute und einen großen Park anlegen liess. In den Jahren 1772-1786 und 1792-1796 war im Schloss eine Porzellanfabrik untergebracht. Am 14. Juni 1941 brannte das Schloss durch Kriegseinwirkung ab.


Historisches Bild- und Kartenmaterial (Auswahl):
Grundriss 18. Jahrhundert
Plan 1683
Plan 1683
Plan 1825 Paulucci
Ansicht Innenhof 1800 Brotze
Ansicht 1800 Brotze
Ansicht 1810
Ansicht 1825 Paulucci
Ansicht 1828 Ungern-Sternberg
Ansicht 1830 Stavenhagen
Ansichtskarte 1903
Ansichtskarte 1904
Ansichtskarte 1904
Ansichtskarte 1925
Ansichtskarte 1932 Marmorsaal
Ansichtskarte 1932 Marmorsaal
Ansichtskarte 1933

Heute befindet sich in der Vorburg ein Museum, die Schlosskirche ist restauriert, das ausgebrannte, zum Schloss umgebaute ehemalige Konventsgebaeude ist aber wegen Einsturzgefahr abgesperrt. Der Wassergraben ist noch fast vollstaendig erhalten.

 

Ein Eintrag zur Burg Oberpahlen findet sich auch in Merians "Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae" von 1652:

Obekpalen / oder Oberpalen. Ein Schloß in Esthland / nicht gar weit von Witenstein / oder Weissenstein gelegen / dessen in den Lifländischen Geschichten etlichmal gedacht wird / sonderlich im Jahr 1577. da solches die Schweden bekommen / denen es aber hernach die Reussen wieder mit Gewalt genommen haben. Ist der Zeit wiederumb Schwedisch. Deß Königs Friderici II. in Dennemarck Gesandten / nach der Moscau / gedruckte Reiß-Verzeichnuß / nennts ein Schloß / und Stadt / dessen Königs Brudern / Hertzog Magno / dieser Ort ein Zeitlang zuständig gewesen / ehe die Schweden solchen von ihme erlangt haben.

 

Burg Oberpahlen ist in der offiziellen Denkmalschutzliste Estlands unter der Nummer 24002/312 seit 23.11.1999 als architektonisches Denkmal erfasst.


Zeittafel:


1272
Errichtung durch den Livlaendischen Orden
ab 1570
Residenz des Herzos Magnus, Koenig von Livland
Februar 1578
Einnahme durch schwedische Truppen
Juni 1578
Einnahme durch russische Truppen
1600
Besetzung durch schwedische Truppen
Anfang 17. Jh.
Eigentuemer Feldmarschall von Wrangel
1703 und 1707
Pluenderungen im Grossen Nordischen Krieg
1750
Im Besitz von Woldemar Johann von Lauw
1772-1786 Porzellanfabrik
1792-1796
Porzellanfabrik
14.06.1941
Brand, danach Ruine


Fotos und Panoramen:


Album mit 37 Fotos


vor Ort

2010

2012


interaktive Panoramen (www.panoramaburgen.de)

Burgtor und Graben
Torbau
Schlossbau mit Kirche
Schlosskirche (HDR)
Aussenansicht

Literaturauswahl und Links:


Loewis of Menar: Burgen-Lexikon fuer Alt-Livland, 1922
Tuulse: Die Burgen des Deutschen Ritterordens in Lettland und Estland, 1942
Fahne:
Livland - Ein Beitrag zur Kirchen- und Sittengeschichte, 1875 Reprint
Miltitzer, Klaus: 
Die Geschichte des Deutschen Ordens, Stuttgart 2005
Turnbull:
Crusader Castles of the Teutonic Knights (2), New York 2004
Borowski, Tomasz: Miasta, zamki i klasztory - Inflanty, Warschau 2010
Helme, Mart: Eestimaa Linnuste Teejuht, 2003
Urban, William: Teutonic Knights - A Military History, Reprint 2011

Chroniken aus dem 14. Jahrhundert:
Heinrich v. Lettland:
Livlaendische Chronik (Uebersetzung Bauer), Darmstadt 1959
Unbekannt:
Livlaendische Reimchronik (Ausgabe Pfeiffer), Stuttgart 1844
Hermann v. Wartberge:
Chronicon Livoniae (Ausgabe Strehlke), Berlin/Riga 1864 


Google Maps:
Satellitenbild



www.burgen-im-ordensland.de

 
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